Dieser Artikel ist eine wörtliche, unverfälschte Transkription des Originalartikels aus dem Jahre 1922.
Aus heutiger Sicht fragwürdige Ausdrucksweisen und Inhalte, sowie variierende Rechtschreibung sind nicht ausgeschlossen, wurden aber zwecks Authentizität nicht zensiert.
Wir leben in einer Zeit, in der die Forderung der höchsten Produktionsleistung unter Ausschaltung auch des geringsten überflüssigen Handgriffes geboten ist. Und die Mechanisierung der Arbeit schreitet fort.
Es liegt im Wesen der Maschine, daß sie Arbeitskräfte spart, aber der Prozeß dieser Einsparung erfolgt im Allgemeinen so langsam, daß er die Arbeitsgelegenheit nicht erheblich beeinträchtigte; der Grund hierfür liegt darin, daß die ersten Maschinen, verglichen mit den heutigen, mangelhaft waren, so daß ihre Überlegenheit über die Handarbeit nicht katastrophal wurde.
Die Handwerker haben sich mehrfach in kurzsichtiger Weise gegen neue Erfindungen empört. Auch die Einführung der Nähmaschine ist nicht ohne Erschütterungen vor sich gegangen. Thimonier hatte 1830 eine Nähmaschine erfunden und konnte bald achtzig Stück in Gebrauch setzen – bis die Pariser Schneider sich zusammenrotteten und sie zerstörten. Der Übergang von Hand- zu Maschinenarbeit führte besonders in England zu Kämpfen und Arbeitseinstellungen.
Arbeitseinstellungen waren früher häufig die Folge der Zunftpolitik, die anderen als Meisterkindern die Aufnahme in die Zunft erschwerte. Ein Metzgersohn in Basel hatte im Jahre 1091 für die Erteilung des Zunftrechts zu entrichten „drei Schilling vier Pfennig, ein Viertel Wein, drei Pfennig für den Meister, zwei Pfennig für den Knecht, einen Schilling an die Krone, welche man dem neuen Meister der Zunft jährlich aufsetzt“. Wenn der Vater kein Metzger war, hatte der Aufnahme Begehrende siebzehn Gulden zu bezahlen; für die damalige Zeit ein hoher Betrag. Außerdem mußte er einen Meister sechs Monate unentgeltlich dienen und dann einige Monate müßiggehen und sich in dieser zeit um die Aufnahme bewerben. War diese Frist versäumt, so mußte er sich ein ganzes Jahr gedulden. Vielen Gesellen war es durch solche Bedingungen unmöglich gemacht, Meister zu werden.
Im Jahre 1329 kam es in Breslau zum ersten „Streik“ in Deutschland, den die dortigen Gürtlergesellen begannen, und 1351 und 1362 setzten die Weber in Speier ihr Lohnforderungen auf solche Weise durch. Der Rat von Konstanz sah sich im Jahre 1389 genötigt, Gewaltmaßregeln anzuwenden, um eine allgemeine Arbeitseinstellung der Schneidergesellen zu verhüten, die indes 1410 doch ausbrach. Von nun an wiederholten sich an vielen Orten solche Vorgänge, die dann im Zeitalter der Maschine eine gewohnte Erscheinung wurden. Es kam in England soweit, daß im Jahre 1727 auf das Zerschlagen von Strumpfrahmen in den Wirkereien Todesstrafe gesetzt wurde.
Das machte sich vor einigen Jahren augenfällig bemerkbar, als die „Owensmaschine“ aus Amerika kam. Um dieses Wunderwerk der Technik überhaupt erwerben zu können, mußte ein „Europäischer Verband der Flaschenfabriken“ gegründet werden, der dann für das Patent zwölf Millionen Mark in Vorkriegswährung an Amerika zahlte. Diese in jahrzentelanger Ingenieurarbeit entstandene Maschine leistet täglich besser und billiger die Arbeit von fünfundsiebzig Glasbläsern. Sie stellt in dieser Zeit fünfzehntausend Flaschen von Anfang bis Ende, unabhängig von Menschenhand, her; ein guter Glasbläser bringt es durchschnittlich nur auf rund zweihundert Stück. Nur eine Flaschenfabrik in Deutschland besitzt solche Maschinen, deren Vermehrung nach einem genauen Planstreng geregelt wurde, damit das Wirtschaftsleben nicht gefährdet wird.
Ein an Leistungsfähigkeit und Ersparnis an Menschenkraft ähnliche Arbeit leisten die „Hollerith“-Maschinen. Es sind sinnreich erdachte und konstruierte Apparate amerikanischer Herkunft, die eigens für statistische Zwecke geschaffen wurden und die hierbei oft erforderliche außerordentliche Zählerarbeit ungeheuer vereinfachen. Die letzten deutschen Volkszählungen sind unter ausgiebiger Benutzung dieser Maschinen erfolgt, ja die Zählungen in der Kriegszeit waren bei dem Fehlen der sonst notwendigen Kräfte überhaupt nur mit Hilfe dieser Apparate möglich. Gemäß den Angaben in den einzelnen Rubriken des amtlichen Fragebogens wurden neue Lochkarten hergestellt, in denen eine Lochung immer eine bestimmte Antwort darstellte. Eine geübte Person vermag in der Stunde vierhundert Karten nach diesem System zu lochen. Die so behandelten Karten gelangen dann in die Sortiermaschine, die nach einfacher Einstellung durch einen Zeiger eine genaue Sortierung nach der eingestellten Forderung, beispielsweise nach Berufen, vornimmt und die aussortierten Karten in die einzelnen Fächer wirft. Diese fast menschlich anmutende Arbeit erfolgt mit Hilfe feiner, elektrisch betriebener Bürstchen, die heruasfühlen, ob eine Lochung oder feste Stelle in der Karte vorliegt.
Die Maschine vermag in der Stunde fünfzehntausend Karten zu sortieren, eine Leistung, zu der sonst eine ganze Anzahl Personen notwendig wäre. Ein besondere Additionsmaschine zählt sowohl die einzelnen Rubriken, als auch die Endsumme zusammen und bewältigt zehntausend Karten in der Stunde. Diese Apparate sind nur für Riesenbetriebe geeignet und gehören zu den Hilfsmitteln des Staates und der Großbanken.
Ebenfalls im Staatsdienst befinden sich die Barfrankiermaschinen, die in großen Postämtern aufgestellt sind und barbezahlte Massensendungen mit der Freimarke bekleben, diese gleichzeitig entwerten und außerdem automatisch zählen. Dem Privatbetrieb wird dadurch die zeitraubende Arbeit des Frankierens erspart und der Postverwaltung die Anfertigung großer Mengen Freimarken; auch ist die Abfertigung in viel geringerer Zeit zu bewältigen.